Im Jahre 2015 muss man eigentlich niemandem mehr erklären, was ein Blog ist und wie das funktioniert. Also eigentlich müsste man das schon, denn zeitweise glaubten ja selbst gewisse bundesweit erscheinende Regionalzeitungen, ein (oder gar mehrere) Blog(s) zu haben, wenn sie längliche Lokalartikel, die es nicht in die Print-Ausgabe geschafft hatten, in ihr CMS schmissen (inzwischen ist das Wort „Blog“ aus der Außenkommunikation verschwunden). Aber, nun gut, vielleicht ändert sich die Definition ja auch einfach, vielleicht ist es – ob uns das passt oder nicht – zu einer Diversifizierung gekommen. Ich will mich da gar nicht streiten.
Was man aber im Jahre 2015 wohl doch immer noch erklären muss, ist, warum man so etwas macht. Es gibt Facebook, es gibt Twitter – wie das funktioniert, müsste man allerdings in der Tat manchen Leuten erklären –, und es gibt auch noch so Dinge wie Instagram, von denen selbst ich nicht weiß, wofür man die eigentlich braucht. Allen diesen Diensten ist indessen gemein, dass all die schlauen oder weniger schlauen Gedanken und gelungenen oder weniger gelungenen Bilder, einmal gepostet, der eigenen Kontrolle entzogen sind. Ich meine damit nicht, dass Dinge, die einmal in diesem Internet gelandet sind, dort nie wieder zu löschen sind – das ist unabhängig von der Publikationsform so und hängt einfach mit dem Wesen digitaler Daten zusammen. Es ist eher das Gegenteil: Wer garantiert mir, dass Facebook nicht übermorgen irgendwelche Fotos von mir löscht oder gar gleich den ganzen Account, weil ich mich an irgendwelche „Gemeinschaftsstandards“ nicht gehalten habe? Wer weiß, ob die ohnehin schon miserable Suchfunktion im eigenen Aktivitätenprotokoll vielleicht demnächst ganz abgeschaltet wird?
Dienste wie Facebook vereinnahmen Inhalte im Netz für sich. Klar, man kann Links zu Webseiten posten, aber der „Facebook way“, sich als Leser damit auseinanderzusetzen, ist es, die Seite auf Facebook zu liken, auf Facebook zu kommentieren und auf Facebook zu teilen. Der iranische Blogger Hossein Derakhshan, der wegen Blasphemie, Propaganda gegen die islamische Regierung, Kollaboration mit feindlichen Regierungen und dem Betreiben einer obszönen Website sechs Jahre lang im Gefängnis saß, hat kürzlich einen sehr lesenswerten Artikel geschrieben, wie sich die Netzwelt zwischen November 2008 und November 2014 verändert hat.
Die Idee, gewissermaßen die Hoheit über die eigenen geistigen Ergüsse zurückzuerobern, ist freilich nicht neu. Blogger-Kollege Martin Jungmann hat vor über drei Jahren – angeregt durch den flammenden Appell von Deutschlands Über-Blogger Sascha Lobo auf der Re:publica 12 – mit mehr oder weniger der gleichen Begründung mit dem Bloggen angefangen. Und Alexander Morlangs Ideen zum „web 2.1“ gingen thematisch in die gleiche Richtung. Aber es geht ja auch gar nicht darum, neu oder originell zu sein. Es geht darum, es endlich zu tun.
Technisch gesehen blogge ich seit über zehn Jahren. Also das heißt: Ich benutze seit Jahren die Software WordPress und veröffentliche damit Dinge im Netz. Aber auch wenn manches davon blogähnlich sein mag, habe ich WordPress doch eher als (schreckliches aber) erträgliches CMS benutzt, beispielsweise bei der Kiez und Kneipe, der ich 2009 zu einem etwas zeitgemäßeren Webauftritt verholfen habe, oder bei der Webseite des Carpathia Verlags. Doch jede Anpassung an Dinge, für die WordPress zumindest ursprünglich nicht gemacht war, hat mich auch jedes Mal daran erinnert, dass es Zeit ist, es mal wieder mit dem Bloggen zu versuchen.
All das heißt natürlich nicht, dass ich Facebook und Twitter den Rücken kehren werde. Aber Ihr könnt Euch schon mal darauf gefasst machen, demnächst auch mal längere Texte von mir zu lesen. Zumindest hier, wenn Ihr denn wollt.